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Mauer Metamorphosen
Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße (2018)

Mauer-Gedenkstätte Bernauer Straße (Gottfried Schenk, 2018)

Ort des Leids, Ort der Wunder, Ort des Gedenkens

Mit ihrer Errichtung am 13. August 1961 wurde die Berliner Mauer zu einem weltweit bekannten Synonym für Gewaltherrschaft und Unmenschlichkeit. Ihre Schreckensbilanz weist 136 durch den Einsatz von Schusswaffen getötete Menschen auf, dazu kamen etwa 200 während des Grenzübertritts Verstorbene, die den Strapazen von Verhören und Leibesvisitationen durch die Grenzorgane der DDR nicht gewachsen gewesen waren. Zu den bekanntesten Maueropfern zählen Peter Fechter, Günter Litfin und Marienetta Jirkowsky, die bei ihrem Fluchtversuch von Grenzsoldaten erschossen worden waren und an deren Schicksal heute mit Gedenkstätten, Infosäulen und Thementafeln erinnert wird.

Weniger bekannt ist das Leid unzähliger Menschen, deren Familien durch den Mauerbau auseinandergerissen worden waren. Der Fall von Angelika und Gerhard Weinstein steht exemplarisch für dieses Leid. Im Sommer 1961 plante das Ehepaar, eine Wohnung im Westteil der Stadt zu beziehen, und baten deshalb ihre in Ost-Berlin wohnhaften Eltern, während der Renovierungsarbeiten ihr drei Monate altes Kleinkind aufzunehmen. Dies ausgerechnet am 12. August, dem Vorabend des Mauerbaus, der die jungen Eltern über Nacht brutal von ihrem Kind trennte. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch durch einen Tunnel wurden die Großeltern zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und das Kind in ein Kinderheim eingewiesen. Erst nach neun Jahren des schmerzhaften Getrenntseins konnten die Eltern das ihnen inzwischen komplett entfremdete Kind im Rahmen einer Familienzusammenführung wieder in die Arme schließen.

Das Mauerwunder vom 9. November 1989 beendete dieses leidvolle Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte. Damit endete auch die Trennung der Menschen in Ost und West, die sich während der vierzigjährigen Zweistaatlichkeit in den beiden unterschiedlichen politischen Systemen fremd geworden waren. Erst zwölf Jahre nach dem Mauerfall wurde damit begonnen, mit einer breit angelegten Erinnerungskultur diesem Trend entgegenzuwirken. Durch Veranstaltungen und Inszenierungen an den runden Jahrestagen von Mauerfall und Wiedervereinigung, sowie über die zu Gedenkstätten entwickelten Mauerreste an der East Side Gallery, in der Bernauer Straße und den zu Gedenkorten umgewandelten Wachtürmen. Nicht zu vergessen sind auch die vielen kleinen, über das Stadtgebiet verstreuten Erinnerungsorte, die wie am Domfriedhof in der Liesenstraße, am ehemaligen Grenzübergang in der Heerstraße sowie an mehreren Ausfallstraßen ins Umland mit bemalten Mauersegmenten, Plaketten und Infostelen sowohl der Opfer gedenken wie auch die Freude über das Verschwinden der mörderischen Grenzanlagen zum Ausdruck bringen.